IWW-Innovationstag 2016 Innovative Technik und neue Analysekonzepte bei der Wasserversorgung Zürich
Auf Einladung der Wasserversorgung Zürich (WVZ) besuchte am 17. Juni 2016 eine 30-köpfige Besuchergruppe aus Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz das Züricher Seewasserwerk Lengg und die WVZ-Zentrale am Hardhof. Der Besuch war vor allem für die Mitglieder des IWW-Fördervereins, Vertreter der IWW-Gesellschafter und für langjährige Partner des IWW organisiert. Ziel war es, die praktische Umsetzung von Innovationen in Aufbereitungstechnik und Analytik durch eigene Anschauung und in der direkten Diskussion mit den Fachleuten der WVZ zu erfahren.
Im Seewasserwerk Lengg beeindruckte die konsequente Weiterentwicklung der bestehenden Aufbereitungstechnik, mit einer zweistufigen Ozonung, einer Schnellfiltration vor einer biologisch aktivierten Aktivkohlestufe und einer nachfolgenden Langsamsandfiltration. Kern der Weiterentwicklung war die modellgestützte Ozondosierung, in Echtzeit angepasst an die aktuelle Wasserqualität und ausgerichtet auf die Elimination von Zielorganismen. Die darauf aufbauende Modernisierung der Aufbereitungsanlage zeigte deutlich die Möglichkeiten einer optimierten Auslegung durch Nutzung von Pilotierungsversuchen und CFD-gestützter Reaktoroptimierung sowie die notwendigen Abwägungen bei der Übertragung in die limitierten Spielräume eines bestehenden Wasserwerks. Für die anstehende Erneuerung des zweiten Züricher Wasserwerks Moos betreiben die WVZ eine großskalige Pilotanlage mit den Kernschritten Ultrafiltration, Ozonung und Aktivkohle.
Im Workshop A „Weiterentwicklung der Seewasseraufbereitung“ stellte Jakob Helbing (Leiter Technologie) die Entwicklungsschritte der Anlagenoptimierung im Zusammenspiel von Laboruntersuchungen, modellgestützten Optimierungen und dem Upscaling in Pilotanlagen vor. Die zielsubstanz-gesteuerte Ozondosierung erlaubt im Normalbetrieb die optimale Desinfektion des Rohwassers, lässt sich im Belastungsfall aber auch auf chemische Zielsubstanzen ausrichten. Die Problematik der Bromatvermeidung wurde ebenso diskutiert wie die praktischen Fragestellungen einer bautechnischen Umsetzung im bestehenden Wasserwerk. Bezüglich der neuen Verfahrenskonzeption des Seewasserwerks Moos wurden die Erkenntnisse zur vorlaufenden UF-Membranfiltration ohne Flockung gegenüber einer Membran als letzter Aufbereitungsstufe vorgestellt.
Im Workshop B „Sensoren in Aufbereitung und Verteilung“ berichtete Andreas Peter (Leiter Qualitätsüberwachung) von den laufenden Entwicklungen zu einer fortlaufenden, verlässlichen Überwachung des Verteilungssystems am Ausgang der Wasseraufbereitung. Hierzu sind verschiedene Sensorsysteme im Einsatz und neue Verfahren in der Erprobung, u.a. der Einsatz von Online-Durchflusszytometern oder Multi-Sensoren. Kernstück der Untersuchungsanlagen ist eine großskalige Testanlage, in der der Einsatz von verschiedenen Sensoren, die Simulation von Fremdwasser und von unerwünschten Eingriffen in ein Verteilungssystem simuliert werden, unterstützt durch ein parallel laufendes hydraulisches Modell der Anlage und einem Prozessleitsystem. Auf dieser Basis arbeiten die WVZ an der schrittweisen Realisierung ihrer künftigen Netzüberwachungsstrategie, das aus einer Kopplung von hydraulischer Echtzeit-Simulation in Verbindung mit verschiedenen Sensortypen besteht.
Der Workshop C „Chemische/mikrobiologische Target- und Non-Target-Analytik“ befasste sich in Beiträgen von Andreas Peter, Oliver Köster und Marcel Leemann mit den laufenden Erfahrungen der WVZ zur Target-, Suspected Target (ST) und Non-Target (NT) Analytik in Verbindung mit wirkungsbezogenen Testsystemen zur Bewertung von biologischen Wirkungen. Zielrichtung sind zum einen die frühzeitige Erkennung und Bewertung von umweltrelevanten chemischen Störstoffen, zum anderen die Vermeidung von unerwünschten Reaktionsprodukten der Wasseraufbereitung. Dies ist auch für die fortschreitende Einführung der oxidativen bzw. adsorptiven Abwasserbehandlung in der Schweiz sehr relevant. Die Diskussion ging stark auf den sich erst allmählich entwickelnden Interpretationsraum beim Einsatz der Non-Target-Analytik ein: einerseits ein breitskaliges Analytikinstrument zum Monitoring und zur Detektion von unerkannten Störstoffen, andererseits die dringende Notwendigkeit, zwischen realen Gefährdungen und fiktiven Bedrohungen zu differenzieren. Die WVZ entwickeln hierzu Strategien, i) bei auffälligen Spektren mit Hilfe von Bio-Tests die reale Gefährdung abzuklären und ii) bei auffälligen biologischen Reaktionen die Stufen der NT-, ST- und Target-Analytik zur Befundklärung einzusetzen.
Für alle Beteiligten waren die offen geführten Diskussionen hochgradig informativ und aufschlussreich. Wir bedanken uns bei den Fachleuten der Wasserversorgung Zürich, Andreas Peter, Jakob Helbing, Oliver Köster und Marcel Leemann für den freundlichen Empfang und die kompetente Führung und Diskussion.
Für die Teilnehmer der Exkursion stehen alle Vorträge zum Download zur Verfügung (Anfragen bitte an Susanne Bonorden beim IWW). Ähnlich attraktive Reiseziele für den kommenden Innovationstag werden bereits gesucht – Ihre Vorschläge sind herzlich willkommen.
Wolf Merkel