30. Mülheimer Wassertechnisches Seminar fand online statt
Mit gut 150 Teilnehmern fand am 22. Juni 2021 das 30. Mülheimer Wassertechnische Seminar (MWTS) als online-Veranstaltung unter dem Thema „Verwendung beeinträchtigter oder bislang ungenutzter Wasserressourcen – wasserwirtschaftliche und verfahrenstechnische Optionen“ statt.
Die seit der Jahrtausendwende deutlich häufiger auftretenden Trockenjahre üben einen starken und mittlerweile auch messbaren Stress auf unsere Wasserressourcen aus, und setzen damit auch die Wasserversorgung unter Druck. Bereits jetzt beobachten wir eine Verringerung der Ressourcenverfügbarkeit und Tendenzen zu einer Verschlechterung der Qualität. Hinzu kommt ein sich gerade in Hitze- und Trockenperioden noch erhöhender Wasserbedarf. Selbst nach den optimistischsten Klimaprognosen wird sich dieser Trend in der Zukunft noch fortsetzen. Nicht nur die Wasserversorgung sondern auch andere Sektoren wie Industrie, Land- und Forstwirtschaft sind von diesen Herausforderungen betroffen, und damit werden auch die Konflikte über die Nutzung der Wasserressourcen zunehmen.
Eröffnung
Dr. David Schwesig (IWW) eröffnete das Seminar mit einem kurzen Rückblick auf die ersten Veranstaltungen dieses 1986 etablierten Formats: bereits in den ersten Jahren standen Themen wie die „Nutzung belasteter Ressourcen“ und die „Auswirkungen der Klimaentwicklung für die Wasserversorgung“ auf der Agenda des MWTS, auch wenn sie in dieser Zeit vielfach noch eher als Nischenthemen wahrgenommen wurden.
Keynote 1
Fakten zur aktuellen Betroffenheit der deutschen Wasserversorgung aus einer Überblicksperspektive stellte Dr. Claudia Castell-Exner (DVGW) im ersten Keynote-Vortrag dar. Die Ergebnisse von DVGW-Studien zur Situation der Wasserversorgung in den Jahren 2018 und 2020 zeigen, dass sich der Aufwand der Wasserversorgung für Leistungen zur Klimawandelanpassung in den nächsten 10 Jahren fast verdreifachen wird. Dies betrifft die gesamte Prozesskette Gewinnung, Aufbereitung, Speicherung, Transport und Verteilung. Für eine gelingende Anpassung sind neben besseren Prognoseinstrumenten für die Entwicklung von Wasserdargebot und Bedarf auch im behördlichen Vollzug eine höhere Flexibilität und ein „Klimawandelzuschlag“ bei Wasserrechten erforderlich. Einen positiven Ausblick gab Frau Dr. Castell-Exner auf das aktuell enorme Momentum in verschiedenen Institutionen wie dem DVGW, dem BMU oder auch der EU, um die Zukunft der Ressource Wasser in der Wasserwirtschaft sicherzustellen (z.B. DVGW Wasserimpuls und Zukunftsprogramm Wasser, die Nationale Wasserstrategie, Green-Deal und Zero-Pollution Action Plan der EU).
Keynote 2
Dr. Christoph Donner von den Harzwasserwerken brachte im zweiten Keynote-Vortrag das Leitthema der Veranstaltung prägnant auf den Punkt: „Wasser ist keine Selbstverständlichkeit mehr“ und unterfütterte dies mit konkreten Beispielen aus der Sicht eines mehrfach betroffenen Wasserversorgers: Hohe Auslastungen des Wasserrechts in den Trockenperioden (> 90%), Anstieg der Tagesspitzenfaktoren sowie starke regionale Unterschiede der Ressourcenverfügbarkeit und der Ressourcenqualität. Dr. Donner betonte zudem, dass Klimaanpassungsstrategien einen ganzheitlichen Überblick über eine Ressourcenverfügbarkeit benötigen und dass es eine Verknüpfung von Ressourcen-, Verbrauchs- und Assetmanagement geben sollte. Mit konkreten Handlungsoptionen zu beispielsweise der Nitratproblatik, Möglichkeiten der Wasserspeicherung, Erschließung ungenutzter Wasserreserven und einem sogenannten „Wasserverschiebebahnhof“ stellte er abschließend einige sehr interessante Praxisbeispiele vor.
Session I
In Session I zu Wasserressourcen und Rahmenbedingungen wurden von Dr. Till Elgeti wichtige rechtliche Aspekte wie bspw. die schwieriger, komplexer und langwieriger werdenden Wasserrechtsverfahren diskutiert. Dieser Punkt wurde dann auch intensiv in der anschließenden Diskussionsrunde abgehandelt, wobei hier von mehreren Teilnehmern auch Mut angemahnt wurde, die Rechtswege einschließlich des Klagewegs bei Bedarf auch konsequent zu beschreiten.
Bei der Nutzung vulnerabler Ressourcen wie z.B. Flusswasser zur Trinkwassergewinnung, sind neue und zeitlich hoch aufgelöste Monitoringverfahren notwendig. Aktuelle Anwendungsbeispiele der Non-Target-Analytik, der Effektdirigierten Analytik sowie ihrer Kombinationsmöglichkeiten wurden durch Dr. Tobias Bader von der Landeswasserversorgung vorgestellt. Damit die sich ändernden Mikroschadstoffkonzentrationen über ein intelligentes Monitoringsystem zuverlässig überwacht werden können, ist ein hinreichend engmaschiger und ereignisbezogener Ansatz entscheidend.
Daneben wurden in der Session gezeigt, dass sich neben der geringer werdenden Quantität von Oberflächen- und Grundwasserressourcen auch deren Qualität bspw. in Bezug auf Mikroschadstoffe, Algenblüten, DOC, Nitrat und Mangan verringert. Einen Überblick über relevante Trends und Mechanismen gab Dr. Thomas Riedel vom IWW. Zu beachten ist dabei auch, dass die ansteigende Anzahl von Niedrigwasserereignissen in Flüssen auch einen einschränkenden Einfluss auf Einleitungen von bspw. Umkehrosmose-Konzentraten haben kann.
Session II
In Session II zu alternativen Ressourcen und Aufbereitungsverfahren wurden Praxisprojekte von drei Wasserversorgern vorgestellt. Alle drei Versorger nutzen dabei Ressourcen, die hinsichtlich der Aufbereitung eher als schwierig einzuordnen sind: Herr Dominik Pollok (Stadtnetze Münster) stellte die Nutzung von Wasser aus dem Dortmund-Ems-Kanal vor, Frau Kerstin Krömer (Oldenburgisch-Ostfriesischer Wasserverband) berichtete über weiter aufbereiteten Kläranlagenablauf als alternative Ressource zur Brauchwasserversorgung von Industrie und Gewerbe, und Herr Holger Scheffler vom Wasserverband Kinzig stellte (gemeinsam mit Herrn Anil Gaba vom IWW) die zukünftige Trinkwassergewinnung aus der Kinzigtalsperre vor. In allen drei Anwendungen kommen wegen der herausfordernden Aufbereitungsziele Membranverfahren zum Einsatz.
Session III
Session III behandelte dann in 4 Vorträgen (Dr. Christoph Czekalla von Hamburg Wasser, Dr. Stefan Stauder vom TZW, Jakob Kämmler von der DVGW Forschungsstelle TUHH sowie Dr. Marc Tuczinski vom IWW) die Aufbereitung schwieriger Grundwässer, wobei auch hier die Membranverfahren eine zentrale Rolle spielen, teilweise in Kombination mit anderen Verfahren wie der Flockung. Die Wasserkontaminanten sind hier durchaus sehr unterschiedlich mit DOC bzw. Huminstoffen, Sulfat, PFAS und Nitrat, was aber die Flexibilität und Leistungsfähigkeit der Membranverfahren unterstreicht. Allerdings zeigt sich auch der große Nachteil der dichten Membranen: nämlich der Anfall von ca. 20% Konzentrat dessen Entsorgung häufig kritisch zumindest in der Genehmigung ist.
Fazit
Mit einer kurzen Zusammenfassung des Tages beendete Prof. Dr. Stefan Panglisch die Veranstaltung und zeichnete trotz der zahlreichen Herausforderungen letztlich ein positives Bild: die in den Vorträgen vorgestellten Ansätze zeigen, dass das Thema Klimawandel-Anpassung der Wasserversorgung in der Praxis angekommen ist und dies nicht erst seit heute oder seit gestern. Es gibt zahlreiche Versorger, die sich intensiv mit Anpassungsmaßnahmen auseinandersetzen, entsprechende Strategien entwickeln, und sich auch gemeinsam mit den Forschungsinstituten aus der DVGW-Familie an die Entwicklung und Erprobung neuer Ansätze trauen.